Am 30.November um 0800 konnte ich endlich den Hafen von Tanger verlassen, nachdem der Zollbeamte mit einer Stunde Verspätung doch noch den Weg auf die ELEONORE gefunden hat für die Inspektion – ein absoluter Witz!
Bei schönstem Wetter und besten Segelbedingungen ging es voran. Am späteren Nachmittag ließ ich erstmals die Angel ins Wasser und prompt hat ein 35 cm kleiner Thunfisch angebissen. Ein leckeres Abendessen zusammen mit gemischten Gemüse. Das war es dann aber mit den Herrlichkeiten!
Um Mitternacht rum ging es los: Sprühregen, ausgiebiger Regen über Stunden, leichter Nieselregen, bedrohliche Blitze in der Ferne.
Es folgte ein Tag mit oft nur leichtem Wind, zunehmend drehend auf Gegenan, gepaart mit einem unangenehmen Seegang. Aufkreuzen war angesagt mit 1.5 – 2.5 Knoten Fahrt – super, so habe ich mir es doch vorgestellt (natürlich nicht!).
Tag drei zeigte sich von der schönen Seite: Sonnenschein pur, blaues Meer, achterlicher Wind mit 1-2 Bf. Beste Verhältnisse für meinen neuen Gennaker. Nix wie setzen! Kaum war er zu etwa 2/3 ausgerollt kam das ganze Ding vom Masttop runter und trieb neben dem Boot. Ein absoluter Horror. Es war ein Frage kurzer Zeit, bis er sich entweder in der Schiffsschraube oder dem Ruderblatt verheddern würde. Ein kurzer Versuch ihn wieder an Bord zu ziehen verlief natürlich erfolglos. Es blieb nur noch, das Messer zu zücken, das ich permanent an meinem Brustgurt montiert habe und ihn am Bug vorne abzuschneiden und ebenso die Endlosleine zu kappen, über die er ein- und ausgerollt wird und hoffen, dass er davon treibt. Glück gehabt: langsam trieb das schöne hellblaue Teil in den Atlantik hinaus. Immerhin hatte ich damit keinen Notfall sondern nur eben mal 7000 Euro über Bord geworfen. Später fand ich eine aufgebogenen Schäkel an Deck. Es muss sich um den Schäkel handeln, mit welchem der Gennaker im Masttop fixiert war. Es ist mir unverständlich, dass unten am Bugsprit eine massive Kuhschnorre von einem Schäkel verwendet wird und als Gegenstück im Top nur so ein Winzling. Dass ich diesen Gegensatz nicht realisiert hatte beim Setzen ärgerte mich aufs Blut! Ich hätte es ändern können. Shit! Letztlich überwog aber die Erleichterung, dass ich nun nicht manöverierunfähig dahintrieb. Mein Gott, was hatte ich doch für ein Riesenschwein! Gegen Abend bäumten sich rundum Regen- und Gewitterzellen auf. Vorsichtshalber montierte ich schon mal das Kutterstag, rollte die Genua ein und setzte die Fock. Kaum fertig, war Schleusen auf am Himmel und es pfiff mit 38 Knoten Wind. Uffff, noch nie in meinem Leben habe ich so viel Wind und so viel Regen erlebt.
Die folgenden Tage waren ein Potpourri aus Leichtwind, während dem ich mich manchmal einfach treiben ließ, Starkregen mit viel Wind wenn es sich um Regenzellen handelte, und dem Umfahren von Gewitterzellen unter Motor. So gelang es mir, nie voll in eine Gewitterzelle zu gelangen und Blitz und Donner in sicherer Distanz zu halten. Da war natürlich auch viel Glück dabei! Auch aus der Distanz waren die Gewitter furchteinflössend. Vor allem nachts, wenn Blitze den Himmel erhellten und Donnergerolle fast körperlich spürbar war. In den Bergen hatte ich ja auch schon das eine oder andere Gewitter erlebt, aber hier auf dem Meer empfand ich diese noch urgewaltiger und bedrohlicher.
Es folgten (wieder einmal…) Probleme mit meiner Windsteuerungsanlage. Ich ließ sie irgendwann sein und stellte auf den elektrischen Autopilot um. Am 3. Dezember entschied ich mich Arrecife auf den Kanaren anzulaufen, denn ohne funktionierende Windsteuerung geht es auf längere Zeit nicht. Der Wind war in der Zwischenzeit konstant zwischen 4 und 6 Bf und die Dühnungswelle hatte gemäß NAVTEX eine Höhe von drei Meter, was aber keinerlei Schwierigkeiten bereitete.
Gemäss der Windprognose von PredictWind befand ich mich am Rande von einem Starkwindband, das in Richtung marokkanische Küste rapide abnahm. Eine Variante war somit, Essaouira oder Tarifa anzulaufen und dort auf bessere Zeiten zu warten. Ich entschied mich dann aber dazu, weiterzufahren. Soooo schlimm wird das ja wohl nicht werden mit dem Starkwind. Diese Einschätzung, oder besser gesagt Hoffnung, bestätigte sich dann auch. Der Wind blieb bei 5-6 Bf mit Böen 7. Jedoch baute sich zunehmend eine Wellenhöhe auf, die weit über den drei Metern der letzten Tage lag. Zudem war diese Hauptwelle durchkreuzt mit einer Wind bedingten Welle aus anderer Richtung, mit andere Worte, es baute sich zunehmend eine gefährliche Kreuzsee auf.
Am Abend vom 5. Dezember lief ich schlussendlich vor Top und Takel ab. Umgeben von Bergen aus Wasser und riesigen, langgezogenen Tälern. Es ging langgezogene schräge Ebenen hoch, die ich auf 10 Meter Höhe schätzte, um oben angekommen wieder ins nächste Tal runterzudonnern. Und dazwischen große Wellen aus allen Richtungen. Ein Tohuwabohu. Die Gefahr war, quer zu den Wellen geschlagen zu werden, womit die Möglichkeit des Durchkenterns verbunden war. Ich schaltete den Motor an und merkte mit Erleichterung, dass das Boot mit Motorunterstützung viel besser steuerbar war – na also, das wird schon irgendwie werden! Die Verhältnisse wurde aber schlechter. Für solche Fälle hatte ich mir ja noch im August einen Jordans Series Drogue angeschafft. Eine rund 75 Meter lange Leine, bespickt mit kleinen Stoffkegeln. Der Drogue wird nachgezogen und stabilisiert dadurch das Boot und bremst die Geschwindigkeit ab. Ich erreichte mittlerweile 6- 7.5 Knoten Fahrt und war damit bereits grenzwertig unterwegs. Ich brachte den Drogue also in Position, parat, um nur noch zu Wasser gelassen zu werden. Ein sehr beruhigendes Gefühl, gepaart aber auch mit der Unsicherheit, ob ich denn alles auch richtig gemacht habe mit der Leinenführung. Obendrauf war ich nicht nur Müde, ich war Hinüber vor lauter Müdigkeit und traute daher meiner Entscheidungsfähigkeit nicht mehr so ganz.
Irgendwann beruhigte sich der Seegang allmählich und ich setzte das Grosssegel mit Ref 3 und konnte so – nun doch etwas entspannt – weiterhin mit achterlichem Wind dem Ziel Arrecife entgegensegeln.
Schlussendlich fuhr ich mit Motorunterstützung bis Arrecife, obwohl normales Segeln irgendwann durchaus machbar gewesen wäre. Aber ich hatte nur noch im Kopf, so schnell und einfach wie möglich Arrecife zu erreichen.
Nach sieben Tagen und rund 540 sm war ELEONORE um 1400 Uhr am 6. Dezember fest am Ankunftsteg der Marina Lanzarote in Arrecife. Und ich? Es war erst mal aufräumen angesagt, dann musste das Boot noch umparkiert werden und so dauerte es seine Zeit, bis das wohlverdiente Bier vor mir stand und ich die Bilder der vergangenen Nacht langsam wieder näher an mich lassen traute.
Fortsetzung folgt…..