Es kam wie erwartet: Schönes Wetter ohne Regeneinlagen und mehr Wind als vorhergesagt – also die perfekten Bedingungen. Und so fiel der Anker bereits nach 36 Stunden morgens um 0300 Uhr in der Rodney Bay. Es war mein bisher schnellster Törn mit der ELEONORE. Bei Windstärken von überwiegend 4 bis 5 Bf und Böen bis 6 Bf ging es mit meist leicht gerefften Segeln bei Halbwindkurs zügig voran; insbesondere in den Passagen zwischen den Inseln, wo immer ein Düseneffekt der Garant ist für eine Steigerung der Windstärke um 1-2 Bf. Wenn es nachts dazu noch mehr oder weniger zappenduster ist, fühlt sich der Speed von 6.5 – 7.5 Knoten viel schneller an als er in Wirklichkeit ist. Hinzu kam ein Sternenhimmel, wie man ihn eben nur weit weg von der Zivilisation sieht. Das alles war derart eindrücklich und faszinierend, dass ich lieber den Großteil der Nacht im Cockpit verbrachte, anstatt mich regelmäßig im Salon für 20 Minuten aufs Ohr zu hauen.
Krönender Abschluss war die Fahrt an den Ankerplatz: Zahlreiche Lichter an Land, aber ohne die geringste Chance, so etwas wie Konturen oder unterschiedliche Entfernungen auszumachen, erschwerten die Navigation. Dazu wusste ich, dass es hier unter den Seglern üblich ist, KEIN Ankerlicht zu setzen. Ich putzte also meine Brillengläser auf Volldurchsicht und steuerte unter Motor in Schleichfahrt vorsichtig den Landlichtern entgegen, den Blick immer auch auf den Tiefenmesser gerichtet. Bei 12 Metern Tiefe ließ ich den Anker fallen. Ich erahnte je ein Segelboot links und rechts vielleicht 50 Meter vor mir. Am Morgen dann staunte ich nicht schlecht, als nebst diesen beiden Booten zahlreiche weitere Segler vor Anker lagen. Sehr beruhigend war, kein Boot hinter mir zu entdecken. Ich hatte also alles richtig gemacht und bin nicht einfach nur durch pures Glück in der Dunkelheit nicht in ein anderes Boot gerammt.
Die Weiterfahrt in die nahegelegene Marina und das Einklarierungsprocedere waren ein paar Stunden später schnell und unkompliziert erledigt.
Das Wetter kehrte und lies zunehmend schwer zu wünschen übrig: Regenfront jagte Regenfront. Ich konnte mir vom Segelmacher Abdeckungen über das Deckenfenster in der Vorschiffskoje und im Salon nähen lassen. Er hatte eben ein freies Zeitfenster. So können diese beiden Oberlichter im Hafen oder vor Anker nun auch bei regnerischen Verhältnissen immer offen bleiben. Und wie so oft ergibt das Eine das Andere: Keny wird mir über das kommende Wochenende ein neues Verdeck für über den Niedergang nähen. Meine aktuelle Version ist mir schon seit Längerem in mehrerer Hinsicht ein Dorn im Auge.
Gestern fuhr ich – bei windig-nassen Verhältnissen – hinunter in die Marigot Bay, die offensichtlich bekannt ist aus einem früheren James Bond Film. Na ja, die Marigot Bay muss man also nicht unbedingt gesehen haben. Es kommt das Pech hinzu, dass die Hotelanlage, in die auch die kleine Marina integriert ist, zurzeit als Quarantäne-Hotel genutzt wird – was ich natürlich nicht wusste. Daher ist hier leider nix mit zum Sundowner (wenn es mal grad nicht regnet) lässig in einem Sessel hängend sich ein paar Drinks zu gönnen. Die Anlage ist ausschließlich den Quarantäner/innen vorbehalten.