Für die 2650sm von Saint Martin nach Horta benötigte ich 24.5 Tage. Ein abwechslungsreicher, sehr lehrreicher Törn mit einer Fülle von beeindruckenden Momenten. Vor allem die erste Hälfte war gespickt mit einigen Schwachwind- und Flautenzonen, die ich mehrheitlich durchgesegelt oder dann eben ausgesessen bin. So benötigte ich den Motor nur gerade mal während zwanzig Stunden, was natürlich auch ein Grund ist für die eher lange Fahrtdauer.
Das Leichtwindsegeln mit fünf, sechs Knoten Wind, der zwischendurch vielleicht mal kurz auf sieben oder gar acht Knoten auffrischte, machte richtig Spass. Die optimale Segelstellung zu finden um doch noch mit zwei, zweieinhalb Knoten Fahrt durch das nur leicht gekräuselte Wasser zu plätschern, war eine entspannende wie auch lehrreiche Abwechslung, gegenüber dem Umgang mit den sonst dominierenden fünf bis sechs Windstärken, meist aus dem achterlichen Sektor, die begleitet waren von zum Teil bis vier Meter hohen, brechenden Wellen.
Eine grosse Hilfe war mir das Weather Routing von Predict Wind, welches ich zwei Mal täglich mit meinem IridiumGo! auf mein Handy downloadete. Es zeigte die voraussichtliche Wetterentwicklung für die nächsten vier Tage mit entsprechenden verschiedene Routenvorschlägen. Je näher diese zusammenlagen, desto klarer war die Wettersituation.
Vorherrschend bei dieser Überfahrt um diese Jahreszeit sind das Azorenhoch und die Tiefdruckgebiete, die von Nordamerika nach Osten ziehen. Und so war es denn auch bei meinem Törn. Er war von Anfang bis zum Schluss von der Entwicklung dieser beiden Systeme bestimmt. Etwa auf der Höhe der Bermudas bin ich in die «Schnellstrasse nach Osten», den Südrand eines riesigen Tiefdruckgebietes über dem Nordosten der USA, «eingebogen». Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn schon etwas leer schluckte, als ich mich entschieden hatte, in diese im Weather Routing rot gefärbte Zone mit Windstärken von bis zu 25 Knoten zu segeln, denn erfahrungsgemäss bedeutete dies, dass ich mit stärkerem Wind von bis zu acht Beaufort rechnen musste. Beruhigend jedoch war, dass ich davon ausgehen konnte, dass ich im Falle von zu heftigem Wind lediglich nach Süden abzulaufen brauchte, um wieder in eine ruhigere Zone zu kommen. Und genau so kam es ein paar Tage später auch, als es im Rigg zu heulen begann, weil der Wind auf sieben Beaufort mit Böen bis zu 35 Knoten aufgedreht hatte. Innerhalb von ein paar Stunden war ich wie erwartet wieder in angenehmeren 20 – 25 Knoten Wind.
Ein wichtiges Thema bei solch einer langen Überfahrt ist das Schlafmanagement. Es gilt, wenn immer möglich nicht in eine grosse Übermüdung zu kommen, da dadurch die Gefahr Fehler zu machen exponentiell ansteigt. So legte ich mich auch bei Tag immer mal wieder für ein Nickerchen von 20-30 Minuten aufs Ohr. Andere Schiffe habe ich nur äusserst selten angetroffen. Und wenn, dann kreuzten sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – unsere Wege völlig ungefährlich in einem Abstand von mehreren Seemeilen. Daher dehnte ich bei konstanten Wind- und Wellenbedingungen die Schlafphasen auf bis zu 40 Minuten aus, um mich für einen Rundumblick und Kontrolle von Kurs, Segelstellung und Instrumenten aus der Horizontalen zu quälen, um möglichst schnell wieder dahin zurückzukehren. Dabei schlief ich meist dermassen tief, gespickt mit Träumen, dass ich bei ruhigen Verhältnissen in den ersten Sekunden nachdem der Timer am iPhone losgegangen war, manchmal keine Ahnung hatte, wo ich mich befand. So suchte ich zum Beispiel einmal den Lichtschalter, weil ich der Meinung war, mich zuhause in meinem Bett zu befinden. Oder ein anderes Mal meinte ich schlaftrunken, in einer Bucht vor Anker zu liegen, bis mir beim Hochsteigen ins Cockpit dämmerte, dass der Grund für die komische leichte Bootskrängung darin lag, dass ich mich unterwegs zu den Azoren mitten auf dem Atlantik befand.
Die Ankunft in Horta war gefühlsmässig überwältigend. Bis der Anker im Hafenbecken dann endlich mal hielt, brauchte ich mehrere Anläufe, was mir aber sowas von egal war! Ich war sowas von glücklich und tiefenentspannt. Das anschliessende Bier nach fast einem Monat alkohohlfreien Lebens war der krönende Abschluss dieser Reise. Was mich ebenfalls sehr freute, war, dass ich keine Schäden zu beklagen hatte. Das Glück spielte dabei natürlich auch eine Rolle, aber nicht allein. Ich hatte offensichtlich vieles richtig gemacht und dabei das Glück auf meiner Seite. Dies stimmt mich zuversichtlich für die Weiterreise ans Festland und ermutigt, neue Pläne zu schmieden.