Atlantiknews und Zieländerung

Im Vergleich zur letztjährigen Überfahrt zu den Azoren, ist es dieses Jahr abwechslungsreicher und anspruchsvoller. Das zeigte sich auch beim Weather Routing von PredictWind, das in den ersten 14 Tagen kaum konstante Vorhersagen lieferte mit zum Teil abstrusen Routenvorschlägen. Die über mehrere Tage einzige Konstante war ein riesiges Sturmtief, das sich auf Mitte Mai nördlich der Azoren bildete. Und es sah zunehmend danach aus, dass ich dieses exakt treffen würde mit Windstärken von über 42 Knoten und sechs Meter hohen Wellen. Ich entschied mich daher, diesem gefährlichen Szenario vorzubeugen und drehte ein paar Tage vorher bei schönstem Wetter und Wind von 4-5 Bf für 35 Stunden bei. Ziel war, Zeit zu gewinnen um hinter dieses Sturmtief zu gelangen. Diese Rechnung ging schlussendlich auf, indem ich am 16. Mai nur an den Rand dieses Tiefs kam. Und das hatte es auch schon in sich: Windstärken von konstanten 6-7 Bf waren problemlos. Der Seegang jedoch mit hohen, zudem teilweise konfusen Wellen, war eine andere Kategorie, wie ich sie zuvor noch nie erlebt hatte, und auch nicht darauf erpicht bin, diese Erfahrung schon bald wieder zu machen. Eindrücklich – und beruhigend! – war, wie ELEONORE unter Windsteuerung souverän auf Kurs geblieben ist. Aus Vorsicht, falls sich die Bedingungen weiter verschärfen würden, bereitete ich trotzdem schon mal den Treibanker, den Jordan Series Drogue, vor. Die Erleichterung war groß, als ich ihn einen halben Tag später bei Schwachwind und Regen wieder abmontierte.
Auf Starkwind folgte Schwachwind, phasenweise durchsetzt mit Flauten mit unangenehmen Seegang, dann folgten wieder herrliche Segelbedingungen bei schönstem Sonnenschein.
Rund 400sm vor den Azoren war ich in einem großflächigen Azorenhoch angelangt mit Windstärken von 0-7 Knoten. Von meinem ursprünglichen Ziel, innert 30-33 Tagen Irland zu erreichen, war ich eh schon weit entfernt. Meine Motivation, an den Azoren – wenn ich sie dann endlich einmal erreicht haben werde – vorbeizusegeln, sank gen Null. Sich selbst gesetzte Ziele kann man ja auch ändern. Und so freue ich mich nun auf Speis und Trank im Kreis von anderen Seglern im Fahrtensegler-Hotspot “Peters Sport Café” in Horta auf der Insel Fajal. Weiter geht es dann anfangs Juni nach Ponta Delgada auf der Insel São Miguel, wo ich Katrien, die ihre Ferien nun eben dort statt in Irland verbringen wird, endlich wieder in die Arme schließen kann.
Die Durchquerung des Azorenhochs erweist sich nun, nach einer ausgeprägten Anfangsflaute, während der ich mich nach etlichen Stunden unter Motor bei stark gerefftem Grosssegel die Nacht hindurch treiben ließ, als abwechslungsreiches, lässiges Schwachwindsegeln. So schippere ich mit 2-4.5 Knoten gemächlich Horta entgegen. Nebst Heute muss ich mit zwei weiteren Schwachwindtagen rechnen. Horta ist aktuell noch rund 360sm entfernt. Diesel habe ich, vorsichtig berechnet, noch für 220sm. Gelegentlich bin ich in Begleitung von Delphinen. Gestern war ich sogar Grindwalen sehr nahe. Ihre Größe ist imposant. Als im leisen Plätschern der Wellen plötzlich ein paar Meter neben ELEONORE ein lauter Blas in die Luft ging, war ich vor lauter Schreck für einen Sekundenbruchteil einem Herzinfarkt wohl sehr nahe.