Das war meine fünfte und anstrengendste Atlantiküberquerung. Es begann mit Flauten und Schwachwind auf dem Weg von Lagos zu den Kanaren. Diese Verhältnisse setzten sich südlich der Kanaren mit nervigen, längeren Schwachwindphasen fort. Klar waren da immer wieder ein paar Stunden oder auch einmal ein oder zwei Tage mit lässigen 5 Windstärken. Aber sie hielten nie an und schon schlich ich wieder bei mageren 4-8 Knoten Wind langsam gen Südwesten. Und dies auf der Passatwindroute, wo es um diese Jahreszeit üblicherweise mit Windstärke 5-7 flott vorangeht. Unglaublich! Ich verstand meine kleine Welt nicht mehr. Damit nicht genug, zeigte sich, dass ich unweigerlich in die Ausläufer eines großen Sturmtiefs, das sich im Norden abspielte, geraten werde. Das bedeutete Wellen von querab in beängstigender Höhe von vier Metern. Wobei vier Meter ein errechneter Durchschnittswert ist. Realistisch gesehen musste ich daher von einer Wellenhöhe von bis zu sechs Metern ausgehen.
Wellen in dieser Größenordnung von querab sind auch für größere Boote als meines gefährlich. Somit war klar, dass ich weiter in den Süden Richtung Kap Verden segeln musste, um dem Gröbsten soweit wie möglich auszuweichen. Diese Strategie erwies sich als sinnvoll. Schlussendlich hatte ich bei 5-6 Windstärken Wellenhöhen von maximal vier Metern, die zudem etwas von schräg achterlich kamen – statt von direkt von querab – und mir somit nie gefährlich wurden. Meine Erleichterung war groß!
Ich meinte – und jubilierte bereits – dass ich nun endlich im konstanten Passatwind angekommen sei. Die Windvorhersagen sahen dies ebenso. Also!!! Doch die Realität war eine andere: Schwachwindphasen häuften sich wieder. Für erfahrene Gennaker- oder Spinakersegler wären diese Bedingungen vermutlich der Himmel auf Erden gewesen. Zu diesen Seglern gehöre ich aber leider nun mal nicht.
Nachdem schon der Wind nicht wie erwartet mitspielte, begann nun auch noch die Servicebatterie zu spuken, indem ihre Spannung manchmal unter 11 Volt viel. Parallel dazu zeigte sich immer häufiger das Saragossa Seegras. Dieses klebt sich am Pendelruder der Windsteuerungsanlage fest, bis das Boot aus den Ruder läuft. Die Windsteuerung war daher nur noch bedingt einsetzbar, indem ich sie regelmäßig wieder vom Seegras befreite. Eine mühsame Angelegenheit! Also umstellen auf Autopilot. Dies korrelierte aber mit der nun reduzierten Batteriekapazität, die nicht mehr für einen stundenlangen Autopilotbetrieb ausreichte. Das Seegras setzt natürlich auch dem Hydrogenerator zu, weshalb auch dieser nur noch unter konstanter Überwachung einsetzbar war. Tagsüber konnte der Autopilot problemlos vom Strom meines Solarpanel betrieben werden. Aber nachts musste ich 1-2 mal den Motor für 30 – 60 Minuten einschalten, um die Batterie wieder nachzuladen.
Mir wurde klar, dass ich das Batterieproblem so schnell wie möglich beheben musste und entschied mich daher, Saint Lucia anzulaufen. Wind und Wellen nahmen zu, wobei die Wellen beim Kurs Richtung Saint Lucia zunehmend von querab kamen. Immer häufiger beobachtete ich dabei hohe brechende Wellen, die in der Folge eine gewaltige Gischtwelle vor sich her schoben. Hmm…. Und es kam der befürchtete Moment, wo mich so ein Mordsding von der Seite traf – und ELEONORE wie ein Spielball um 180 Grad im Kreis drehte!!
Unter diesen Bedingungen an meinem Kurs nach Saint Lucia festzuhalten wäre die beste Gelegenheit gewesen, mein Leben leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Ich änderte daher den Kurs so, dass die Wellen direkt von hinten kamen und segelte somit exakt in Richtung des Dominica Channels, der zwischen den Inseln Dominica und Martinique hindurchführt. Tipptopp! Ein kleiner Umweg zwar, aber dafür segelte ich auf einem sicheren Kurs. Ich konnte aufschnaufen! Es wurde sogar richtig cool, wenn ELEONORE die hohen Wellen, die uns von hinten mit einem Affenzahn überholten und dabei ein paar Meter anhoben, stabil wie auf Schienen wieder ins Wellental hinab surfte.
Schlussendlich schipperte ich gemütlich der Westküste von Martinique entlang, als plötzlich heftiger Wind bis 30 Knoten aufkam. Die Überfahrt nach Saint Lucia war unter diesen Bedingungen nicht zu verantworten. Zum Glück hat es diverse Ankerplätze entlang der Westküste von Martinique. Und so war ich kurz vor totaler Dunkelheit glücklich vor Anker. Nach 33 Tagen unterwegs erstmals wieder (relativ) stationär. Nix wie ab in den Kühler mit meinem Sixpack Bier, das ich zur Feier der Ankunft in Kolumbien dabei hatte. Der Wind nahm ab und es wurde ruhig – und das Bier mundete!
Am nächsten Morgen begrüßte mich Bilderbuchwetter und auch eine gute Windvorhersage. Subito war der Anker gelichtet und noch vor Mittag war ich in der Marina Rodey Bay in Sainte Lucia einklariert. Ich hatte Glück und eine passende Batterie war vorhanden und zwei Tage später eingebaut. Das Wetter wurde zunehmend schlecht mit vielen Regengüssen und starkem Wind. Das sollte sich in den kommenden Tagen ändern und so werde ich schon bald meine Reise nach Cartagena fortsetzen. In acht bis neun Tagen sollte ich diesen letzten Abschnitt schaffen.